Geschäftsklima bricht um 20 Punkte ein – Negative Erwartungen an Wintermonate drücken
NRW. Die aktuelle Krise trifft das Handwerk im Kammerbezirk Düsseldorf massiv. Nach den Ergebnissen
der aktuellen Herbstkonjunkturumfrage ging das Geschäftsklima gegenüber der Frühjahrsumfrage
um 20 Punkte auf nur noch 98 Punkte zurück. „Die Verunsicherung ist sehr groß“, beschrieb HWK-
Präsident Andreas Ehlert die Lage zusammenfassend. Die Unternehmen stünden unter dem
Eindruck sich gegenseitig verstärkender Krisen, „denn der Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht
alleiniger Grund für die beunruhigende Lage. Der bereits vor Kriegsbeginn verzeichnete Anstieg
vor allem der Energiepreise, Lieferkettenstörungen sowie die Folgen der Corona-Krise belasten
das Handwerk. Quer durch fast alle Branchen erwarten die Betriebe für das kommende halbe Jahr
geringere Umsätze, weniger Aufträge und weniger Beschäftigung. Und die Preisdynamik bei
Energie, Material und Personalkosten ist ungebrochen.“ Am schwierigsten sei die Lage derzeit im
Lebensmittelhandwerk und im Gesundheitsgewerbe, „aber auch im bisher starken Baugewerbe
mehren sich Krisen-Signale“, betonte Ehlert bei der Vorstellung des (repräsentativen) HWK-
Herbstgutachtens.
Ehlert erläuterte, dass nur ein Teil der Betriebe unmittelbar durch die explodierenden Energiekosten
unter Druck gerate. Zwar schlage das Thema in einigen Branchen – so den Bäckereien oder Textil-
reinigungen – voll ins Kontor. Noch größer sei die Zahl der Betriebe, die davon nur indirekt betroffen
sind und gar nicht als energieintensiv gelten: „Gestörte Lieferketten, Materialengpässe, Kunden-
Zurückhaltung oder Auftragsstornierungen können viel höhere Kosten und Risiken nach sich ziehen
als das reine Energiethema. So können auch kerngesunde Betriebe in die Knie gezwungen werden.“
Ehlert kritisierte, dass die bisherige Krisenpolitik im Bund den handwerklichen Mittelstand zu wenig
im Blick habe: „Das meiste, was derzeit in der Diskussion ist, geht noch am Handwerk in der ganzen
Bandbreite seiner Betroffenheiten vorbei.“ Auch aus Sicht des Handwerks komme es darauf an, die
Kostenexplosion bei Energie und Gas in den Griff zu bekommen. „Es ist notwendig, dass möglichst
schnell Entlastung kommt – und unbürokratisch“, so Ehlert. „Aber politisch verordnete Preisbremsen
könnten das Übel sogar verstärken, wenn sie die Anreize zum Energieeinsparen abschwächen und
die Energieknappheit am Ende noch verschärfen.“ Für das Handwerk komme es „entscheidend“
darauf an, die Versorgungssicherheit zu erhöhen: „Wir werden die Preise nur nachhaltig bremsen
können, wenn wir die Energieproduktion schnell hochfahren – mit allen verfügbaren Energieträgern.
Und wir müssen alles tun, damit wir Energie einsparen – durch Verhaltensänderungen oder durch
Investitionen in energieeffiziente Technologien und Produktionsabläufe.“
Das Handwerk sieht Ehlert beim Thema Energiesparen und Energieeffizienz als Schlüsselakteuer
für alle Verbraucher: „Es ist kein Zufall, dass unsere Elektrotechniker und unsere SHK-Betriebe
derzeit gegen den Trend stabil dastehen und Beschäftigung aufbauen.“ Auch die Rallye um
ausreichend Berufsnachwuchs verlaufe in diesem Jahr dank enormer Akquise-Anstrengungen
erfolgreicher. „Mit einem Zuwachs an neu gewonnenen Ausbildungsanfängern um mehrere Prozent
ist zu rechnen. Das sind die guten Botschaften in der Krise.“ Der Ausbildungsberuf Anlagenmecha-
troniker gehöre aktuell sogar zu den beliebtesten Ausbildungsberufen mit den stärksten Zuwachs-
zahlen (+ 14 %) überhaupt. – Die Handwerkskammer Düsseldorf rechnet nach den Zahlen der
Konjunkturumfrage für das Gesamthandwerk wie bereits 2021 dennoch per Saldo mit einem leichten
Beschäftigungsrückgang. Die Umsätze dürften zwar nominal kräftig steigen, aber die Zuwächse
dürften von der allgemeinen Inflation aufgezehrt werden. „Bei allem, was wir jetzt kurzfristig tun
müssen, darf die Geldwertstabilität als Ziel nicht aufgegeben werden. Denn nichts wirkt unsozialer
als Inflation“, so Ehlert.
Zum Lagebild des Herbstgutachtens im Detail:
- Ausschlaggebend für die Klimaverschlechterung sind die geschäftlichen Erwartungen an das
kommende halbe Jahr. Während die aktuelle Geschäftslage im Herbst noch annähernd von
jedem zweiten befragten Betrieb (46%) als gut bezeichnet wird, erwartet dies für die
kommenden sechs Monate nur noch 12% der Unternehmen; der herbste Rückgang seit 15
Jahren. - Das Umsatzklima wird bereits jetzt nur in der Bauwirtschaft (Baugewerbe und Ausbau-
Gewerke) im Saldo noch positiv eingeschätzt. Die HWK erwartet trotz hoher - Umsatzsteigerungen in den ersten beiden Quartalen angesichts der ausgeprägten
- Inflationsdynamik für dieses Jahr kein Realwachstum im Wirtschaftssektor.
- Während die Auslastung der Betriebe mit 79 Prozent stabil geblieben und auch die
Auftragsreichweite nur um 0,4 auf nun 9,2 Wochen zurückgegangen ist, kühlte sich das
Auftragsklima um 19 Punkte auf nur noch 87 Punkte ab. „In nahezu allen Branchen rechnet
das Handwerk mit Kundenzurückhaltung,“ erläuterte Ehlert zum Hintergrund. Immerhin: In
den beiden größten technischen Handwerksberufen, dem SHK-Gewerbe und der
Elektrotechnik, sind die Auftragserwartungen ausgeglichen bzw. sogar leicht optimistisch. - Der Anteil der Betriebe mit offenen Stellen verharrt mit 37 Prozent auf einem sehr hohen
Niveau; das gilt insbesondere in der Bauwirtschaft und in den Handwerken für den
gewerblichen Bedarf. Ehlert: „Der Fachkräftemangel hat sich ausgeweitet.“ Per Saldo
überwiegt der Anteil der Betriebe mit gesunkener statt gestiegener Beschäftigung um 4
Prozentpunkte. Mit einem Saldo von minus 6 Prozentpunkten klar negativ fallen die
Beschäftigungserwartungen fürs kommende halbe Jahr aus. - Das Verkaufspreisklima bewegt sich mit 163 Punkten weiterhin auf historischem
Rekordniveau. Vor allem Betriebe der Lebensmittelhandwerke, bei denen Rohstoffpreise,
Energiekosten und Lohnsteigerungen die Ertragssituation belasten, waren zu Anpassungen
gezwungen. Im Bauhauptgewerbe gab das Verkaufspreisniveau dagegen um 8 Punkte nach
– „ein Vorbote der Konjunkturabschwächung“, so Ehlert; und in den
Gesundheitshandwerken um 5 Punkte: v.a. Zahntechniker können ihre erheblich
gestiegenen Einkaufs- und Betriebskosten wegen der kollektivvertraglichen Regelungen
nicht weitergeben. - Preissteigerungen und Probleme mit Lieferketten belasten nicht nur die Ertragssituation,
sondern führen zusammen mit dem verschärften Personalengpass unterm Strich auch zu
einer deutlichen Reduzierung der Investitionstätigkeit. Das Investitionsklima geht
insgesamt um 16 Punkte zurück – und das quer durch alle Branchen. - Zur Entwicklung in den Regionen:
In drei der vier Wirtschaftsregionen (Großraum Düsseldorf, Ruhr-West und Bergisches Land)
verläuft die Eintrübung des Geschäftsklimas sehr ähnlich. Eine merkliche Abweichung zeigt sich
diesmal am Linken Niederrhein, wo das Geschäftsklima mit 26 Punkten deutlicher als im übrigen
Kammerbezirk zurückgeht. Als Ursache benennt die Kammer die „noch pessimistischeren
Erwartungen“ in der Region über die Entwicklung bis zum Frühjahr.
„Bei allem, was an kurzfristigen und auf besondere Zielgruppen ausgerichteten
Stabilisierungsmaßnahmen nun erforderlich ist, dürfen die langfristigen standortpolitischen Aufgaben nicht aus dem Blick geraten: Energiekosten nachhaltig senken, Versorgungssicherheit dauerhaft gewährleisten, Resilienz und Flexibilität von Lieferketten erhöhen und Geldwertstabilität sichern,“ gab Handwerkspräsident Ehlert der rahmensetzenden Bundes- und Landespolitik als Fazit und Denkanstoß mit.
Quelle: Handwerkskammer Düsseldorf (Pressestelle)